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Das Tier im Recht

Wenn der Anwalt auf den Hund kommt

Dass der Deutsche eine besondere Beziehung zum Haustier hat, insbesondere zu Hund und Katz‘, ist bekannt und wird in ausländischen Reiseführern über Deutschland belustigt erwähnt. Einer Studie der Universität Bonn zufolge haben 35 % der Hundehalter eine engere Bindung zu ihrem Hund als zu menschlichen Partnern. In vielen Gemeinden gibt es mehr Hunde- als Grundschulen und in Hamburg kann man sich neuerdings nach einer Änderung des Bestattungsgesetzes gemeinsam mit seinem Haustier beerdigen lassen. Der animalische Populationsdruck ist bereits seit längerem in Rechtsprechung und Gesetzgebung angekommen, allerdings mit wechselnden Trends.

Dies zeigt sich beispielsweise bei den „Schockschäden“. Es ist seit langem anerkannt, dass Menschen einen Schmerzensgeldanspruch haben können, wenn sie traumatisiert sind, weil sie von dem Unfalltod eines nahen Angehörigen erfahren oder diesen gar miterleben mussten. Einen derartigen Anspruch hat der Bundesgerichtshof im Jahre 2012 bezogen auf ein Haustier – ein Hund war von einem Traktor überfahren worden – noch abgelehnt, Versicherungsexperten gehen davon aus, dass diese Entscheidung heute anders ausgehen würde. Immerhin hat der Gesetzgeber zugunsten auch von Promenadenmischungen klargestellt, dass die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen nicht bereits dann unverhältnismäßig sind, wenn sie den Wert des Tieres erheblich übersteigen, § 251 Abs. 2 S. 2 BGB.

Das Tierschutzrecht verteilt sich auf eine Vielzahl verschiedener Gesetze, ausgehend vom Grundgesetz. Dort heißt es in Art. 20 a GG, dass der Staat auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere zu schützen habe. Das Tierschutzgesetz, dass es unter anderem verbietet, „einem Tier außer in Notfällen Leistungen abzuverlangen, denen es wegen seines Zustandes offensichtlich nicht gewachsen ist oder die offensichtlich seine Kräfte übersteigen“, wird vielen in etwa geläufig sein. Aber wer kennt die Tierschutz-Hundeverordnung? Sie schreibt für „canis lupus f. familiaris“ (Hund) beispielsweise vor, dass ihm „täglich mehrmals die Möglichkeit zum längerdauernden Umgang mit Betreuungspersonen zu gewähren ist, um das Gemeinschaftsbedürfnis des Hundes zu befriedigen“, wie Hunde in Räumen zu halten sind und wann Welpen von ihrem Muttertier getrennt werden dürfen. Verstöße hiergegen gelten als Tierquälerei und können bestraft werden.

Auch in der Anwaltspraxis geht es tierisch zu. Das fängt an, wenn der Hund zum Versicherungsfall wird, weil er einen Lederschuh mit seinem Kauknochen verwechselt. Zu den Klassikern gehören auch die Beißereifälle Hund-Hund oder Hund-Mensch, die dazu führen können, dass der Hund zum Wesenstest nach § 13 HundeG muss, um seine Fähigkeit zu sozialverträglichem Verhalten nachzuweisen. Beim Verwaltungsgericht in Schleswig sind Verfahren anhängig, in denen es um die Frage geht, ob der Finder eines verletzten Haustieres auf den Tierarztkosten sitzen bleibt. Familienfachanwälte müssen mitunter der Frage nachgehen, wem im Trennungsfalle der Hund zuzuweisen ist. Auch hier sollen, so die jüngere Rechtsprechung, tierbezogene Faktoren ausschlaggebend sein. Besonders kompliziert wird es für den Verwaltungsrechtler, wenn es um die landwirtschaftliche Tierhaltung geht. Hier ist, so eine EU-Verordnung „den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung“ zu tragen, es gelten zahllose Richtlinien. Erst kürzlich verbot das Bundesverwaltungsgericht das Schreddern männlicher Küken. Schwer umstritten ist der Artenschutz nach dem Bundesnaturschutzgesetz, insbesondere wenn es um den Wolf geht. Hier will der seit März 2020 geltende § 45 a BNatSchG nunmehr Nutzungskonflikte mit dieser an sich besonders geschützten Art regeln. Sogenannte Wolfshybriden, also Mischlinge aus Wolf und Hund, sind der freien Natur hingegen „zu entnehmen“, eine Legal-Ausnahme vom sonst bestehenden Tötungsverbot.

Angesichts dieser Komplexität ist der Anwalt gefordert. Mancher nimmt sofort die Schweißfährte auf und hechelt los, mancher hebt müde das Bein. Besser: Ohren spitzen und die Rechtslage erschnüffeln.

 

Jens-Ulrich Kannieß,

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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